Der sehenswerte Arte-Themenabend beantwortet die Frage „Dürfen wir Tiere essen?“ mit einem eindeutigen Fazit: „Eigentlich nicht“.

Dürfen wir Tiere essen? Nicht zuletzt seit den literarischen Denkanstößen von Jonathan Safran Foer („Tiere essen“) und Karen Duve („Anständig essen“) ist die Frage, ob Fleischverzehr gesund ist, eng verknüpft mit jener, wie wir eigentlich unsere Mitgeschöpfe, die Tiere, behandeln. Beide Themenkomplexe verbinden die Dokumentationen eines sehenswerten Arte-Themenabends. Die Frage beantwortet sich dabei schon fast von alleine: Nein.

Die Dokumentation „Nie wieder Fleisch?“ von Jutta Pinzler führt vor Augen, dass die Zeiten, in denen Fleisch höchstens sonntags auf den Tisch kam, lange vorbei sind. Der Fleischkonsum ist weltweit drastisch angestiegen. In den vergangenen 50 Jahren hat er sich verfünffacht. Deutschland war mit acht Millionen Tonnen schon 2010 Europas größter Produzent. Während in Europa eine langsame Sättigung erreicht ist, wächst der Verbrauch in den Schwellenländern. Bis 2050 wird er sich verdoppeln, so die Prognose.

Und schon jetzt fand die Redakteurin Vertreter von Chinas neuer Wohlstandsmitte. Dreimal am Tag – und zwar jeden Tag – esse er Fleisch, sagt da ein fettleibiger Familienvater in die Kamera. Manchmal gehe er auch noch nachts an den Kühlschrank. Die Folgen zeigen sich längst in den chinesischen Metropolen: Übergewicht, einst eine Krankheit des Westens, genauso wie Gicht, Diabetes und Herzprobleme. Fleisch erhöhe signifikant das Krebsrisiko, bestätigt auch der Heidelberger Nobelpreisträger Harald zu Hausen. Das ist nicht das alleinige Übel.

Der Methanausstoß von Rindern gilt sogar als größerer Klimakiller als Kohlendioxid. Die zuhauf auf die Äcker gekippte Gülle treibt die Nitratwerte im Grundwasser in krebserregende Höhen. Fleisch ist heute billig zu haben. Den Preis dafür zahlen verarmte Bauern in der Dritten Welt, deren Äcker für die westliche Tierfutterproduktion herhalten müssen – und die Tiere.

Die Szenen, die Tierschützer mit versteckter Kamera in der industriellen Massenproduktion und Schlachthöfen eingefangen haben, sind für Hartgesottene. Lebendig am Haken zappelnde Rinder. Schafe, natürlich noch lebend, mit offen klaffenden Halswunden. Vor ihrem unwürdigen Tod führen die Tiere ein erbärmliches Leben. Hühner etwa, bewegungsunfähig gemästet und vollgestopft mit Antibiotika.

Der Film lässt Journalisten, Tierschutzaktivisten und einen Sprecher der EU-Agrarkommission zu Wort kommen. Erschreckend defensiv zieht der sich auf die starke Nachfrage zurück. Von moralischer Verantwortung keine Spur. Die Macht der Fleischlobby lässt sich da nur erahnen.

Wo hier Aufklärung dominiert, zeigt der zweite Beitrag des Themenabends „Die neuen Vegetarier“, dass es auch anders geht. Längst ist auf der Basis von Gesundheit und Nachhaltigkeit ein eigener Lebensstil entstanden. Die Lohas (Lifestyle of Health and Sustainability) sind in aller Munde. Doch noch immer bilden sie mit knapp zwei Prozent eine – oft belächelte – gesellschaftliche Randgruppe.

Autor Michael Richter begleitet die vierköpfige Familie Wittmann aus Hamburg durch einen fleischlosen Selbstversuch. Und es zeigt sich, dass vegetarische Ernährung keinesfalls gleichzusetzen ist mit Askese und Genussverzicht. Das beweist etwa der Ausflug zu dem von Sternekoch Michael Hoffmann betriebenen Restaurant Margaux. In Berlins bester Innenstadtlage kreiert er wahre Genüsse – ausschließlich auf vegetarischer Basis.

Das Fazit des Abends ist ernüchternd. Weitermachen geht nicht. Schon wenn wir weniger Fleisch essen würden, wäre dem Planeten geholfen. Für Fleischliebhaber bleibt nur eine Option: zurück zum Sonntagsbraten.
Hamburger Abendblatt