„Lebenskünstler“, der neue Fim des Witteners Claus Wischmann, läuft am 21. 2. auf Arte. Er zeigt Musiker, die nebenbei von Zweitjobs leben müssen.

Krasser könnten die Gegensätze kaum sein: Die virtuosen Töne einer Orgel am Abend und das fiese Knirschen einer Müllpresse am Morgen. Die liebliche Stimme einer Opernsängerin und das Rauschen einer Wasserspülung an der frisch geputzten Toilette. Oder die tief-zarten Klänge einer Oboe auf der Bühne und das Kreischen eines Schleifeisens in der Werkstatt.

Der aus Witten stammende Regisseur Claus Wischmann hat sich mit Menschen beschäftigt, deren Leben von solchen Gegensätzen geprägt ist. Am morgigen Sonntag (21. 2.) läuft um 23.45 Uhr „Überlebenskünstler“ auf Arte.

„In dieser Geschichte geht es um professionelle klassische Musiker, die mit großer Leidenschaft und Können ihrer Kunst nachgehen und die dennoch nebenher arbeiten müssen“, beschreibt Wischmann seinen Film. Gemeinsam mit einem Co-Autor begleitete der 49-Jährige Wahlberliner Musiker, die abends umjubelt auf der Bühne stehen und tagsüber als Hausdame Hotelzimmer putzen, als Automechaniker schrauben und als Müllmann Tonnen leeren. „Meine Befürchtung vorab war, dass der Film ziemlich traurig werden könnte“, verrät Wischmann. „Aber letztendlich hat er doch eine sehr positive Stimmung bekommen. Die Künstler sind eigentlich recht zufrieden und im Reinen mit der Lösung, die sie gefunden haben.“

Regisseur Wischmann lebt heute in Berlin und hat über 40 Filme gedreht

Bis zu seinem 19. Lebensjahr lebte Claus Wischmann in Herbede. An der Hardenstein-Schule hat er sein Abitur gemacht. Nach verschiedenen Zwischenstationen entschied er sich Ende der 90er Jahre für die Hauptstadt. Dort gründete der Wittener 2007 mit einigen Partner die Produktionsfirmen „Sounding Images“ und „Fernsehbüro“. Inzwischen kann Wischmann als Autor und Regisseur auf über 40 Dokumentationen, Reportagen, Konzertaufzeichnungen und Porträts zurückblicken, die vor allem auf Arte, im ZDF aber auch im Kino liefen.

Auch Claus Wischmann selbst hat eine besondere Beziehung zur Musik und kann sich daher in die Akteure einfühlen: Bevor er den Weg als Medienschaffender einschlug, arbeitete er einige Jahre als Profi-Pianist. „Ich weiß, was das bedeutet“, sagt er. „Üben, üben, üben. Jeden Tag viele Stunden. Da hätte ich gar keinen anderen Job machen können.“ Irgendwann brach er mit dem praktizierenden Musikertum. So wie viele in Deutschland lebende Berufsmusiker: „In Deutschland macht man es voll und ganz – und wenn es finanziell nicht mehr geht, hört man ganz damit auf“, sagt er. Doppelgleisigkeit sei eher heikel für die Karriere.

Claus Wischmann ist noch oft in Witten, weil hier seine besten Freunde leben

Deswegen sei es sehr schwierig gewesen, hier Musiker zu dem Thema zu finden. Also spielt der Film jetzt in der Ukraine, in Israel aber auch in Deutschland. Er begleitet zum Beispiel die Sopranistin Melina Paschalidou, die nach ihrer Gesangsausbildung in Griechenland nach Berlin kam, um an ihrer Karriere zu feilen. Bis sich ihr Traum von einem festen Engagement erfüllt, muss sie ihrem Konto Geld, das sie als Zimmermädchen verdient, zufüttern.

Auch wenn Claus Wischmann für seine Filme in der Welt zu Hause ist, kehrt er regelmäßig nach Witten zurück. „Ich bin gerne da, meine besten Freunde leben nach wie vor an der Ruhr“, sagt er. „Das ist einfach Heimat und die Menschen sind mir vertraut.“

WAZ.de, 19.02.2016