Alpendörfer | Schweiz: Kastanien und Katastrophen

16.05.2020 - 8:10 Uhr

Ein Film von Wilma Pradetto

Die Alpen boomen – aber nur als Urlaubsort.

Die Bergkette droht von einem Lebensort zu einer Freizeitlandschaft zu verkommen, denn so schön die Alpen sind, es ist nicht leicht, hier zu leben.

Die Arte-Reihe „ALPENDÖRFER“ besucht fünf Dörfer, in denen Menschen versuchen, die Alpen als Lebensort zu erhalten oder wiederzuentdecken. Fünf Beispiele, die Mut machen, auch für andere ländliche Regionen, denen die Menschen den Rücken kehren.

 Der größte Edelkastanienwald der Alpen liegt im Bergell, im Schweizer Kanton Graubünden. Anfang Oktober, wenn die stacheligen, braunen Kugeln zu Boden fallen, bricht in den Bergdörfern das Kastanienfieber aus und die Bauern strömen in die Selven – in die Haine.

Das war nicht immer so. Kastanien waren zwar jahrhundertelang ein wertvolles Grundnahrungsmittel der Bauern im Bergell, doch Ernte und Verarbeitung sind mühsam.

Und so verwilderten die, zum Teil 500 Jahre alten, Baumriesen und wurden krank.

Ein paar beherzte Bewohner wollten dieses Kulturgut retten.

Mit einer Investitionsspritze durch die Regierung begann das zweite Leben der Kastanienselven und auch die Cascinas, die steinernen Dörrhäuschen wurden wieder in Betrieb genommen. Die Kastanien sind zu einem Touristenmagnet geworden und für die Bauern ein guter Nebenverdienst.

Doch dann kommt es am 23. August 2017 zum größten Bergsturz in Graubünden seit Jahrzehnten. Heute zieht sich eine tiefe Narbe durch Bondo: das Dorf gegenüber von Soglio und erinnert die Bewohner an die Verletzbarkeit ihrer Region.

Marco Giovanoli lebt in Soglio und bewirtschaftet mit seiner Frau Heidi 80 Kastanienbäume. Das Haus von Ivana und Andreas Engler in Bondo entging nur knapp der Katastrophe.

Alles scheint friedlich, aber das Tal hat eine Wunde, die erst langsam verheilt.

Jeden Tag werden die Bewohner an ihre Verletzbarkeit erinnert und an die Gefahr, denn der Berg ist noch immer in Bewegung.