Hannah Arendt – Die Pflicht zum Ungehorsam

01.02.2017 - 22:00 Uhr

Ein Film von Ada Ushpiz

Hannah Arendt ist eine der einflussreichsten politischen Denkerinnen des 20. Jahrhunderts. Doch was sagt ihr Werk jungen Leuten von heute, einer Generation, die sich jenseits nationaler oder kontinentaler Beschränkungen bewegt, und die Partei ergreift für ein „Denken ohne Ge-länder“ (Hannah Arendt) der Systeme, Ideologien und Wunschvorstellungen? Ob im arabischen Frühling, beim Protest gegen politische Repressionen in der Ukraine, in Hongkong, in Kanada, dem Engagement der Occupy-Bewegung, bei NGOs oder beim Publikmachen staatlich sanktionierten Ausspionierens ganzer Völker. Politik wird dort verstanden als eine „Sache der Freiheit gegen das Unheil der Zwangsherrschaft jeglicher Art“, so wie es Hannah Arendt einst beschrieb.

In jüngster Zeit hat Hannah Arendts Werk eine neue Aktualität erhalten. Ihr Buch „Über die Revolution“ nimmt eine zentrale Bedeutung bei der politischen Debatte von Oppositionellen in den Ländern des arabischen Frühlings ein; ihr Essay „Macht und Gewalt“ hilft bei der Betrachtung der Unrechtsregimes unserer Tage und ihr „Bericht von der Banalität des Bösen“, das vermutlich zu den meist zitierten Versuchen zählt, die Wurzeln und Abgründe des nationalsozialistischen Regimes in der Person von Adolf Eichmann zu erfassen, verweist auf unsere modernen Gesellschaften. „Ich glaube nicht, dass das Konzept von der ‚Banalität des Bösen‘ nur auf ein paar Offiziere aus dem Zweiten Weltkrieg angewendet werden kann. Es ist etwas tief Verankertes in unserer Gesellschaft und immer noch sehr häufig vorzufinden. Es entstammt unserer Kultur des Gehorsams“, so eine ägyptische Intellektuelle.

Der Film spielt auf zwei Ebenen. Er porträtiert Hannah Arendt, ihre „Vita activa“, und zeichnet ihren exemplarischen Weg als deutscher Jüdin nach, die sich stets dem Ungehorsam ver-pflichtet fühlte. Geboren 1906 in Hannover, Studium bei den Philosophen Karl Jaspers und Martin Heidegger, mit dem sie eine Liebesbeziehung hatte, Flucht aus Nazi-Deutschland und Emigration in die USA, wo sie sich in der zionistischen Bewegung und der Erforschung und Deutung des Totalitarismus widmete. Hannah Arendt ging es vor dem Hintergrund der nationalsozialistischen Massenbewegung und dem totalitären Bewusstsein stets darum, den Menschen vor seiner Degradierung zum Konsumenten, ‚Automaten‘ und reinen Bürokraten zu bewahren. Denn diese sind willenlose Wesen, die ‚leer‘ sind und mit denen Ideologen alles machen können.

Hannah Arendts politisches Denken blieb stets der Aktualität verbunden. Und so schlägt der Film immer wieder Brücken zu gegenwärtigen Entwicklungen und Brennpunkten nach Ägypten, in die Ukraine, nach Israel, Hongkong und Kanada. In der Begegnung mit jungen Menschen wird Hannah Arendts Denken nachgespürt. Die Dokumentation holt Hannah Arendt ins Heute und thematisiert ihre Relevanz für politisches Handeln unserer Tage.