14.10.2024 - 11:45 Uhr
Ein Film von Alois Berger
Wenn Europa eine Seele hat, dann schwebt sie vermutlich irgendwo über den steilen Weinhängen an der Luxemburger Mosel. Hier kommt das alte Europa zusammen, Frankreich, Deutschland, Benelux. Das hört man schon in der Sprache, im Letzeburgischen, man sieht es in der Landschaft, wo das sanft geschwungene Moseltal manchmal an Rhein, Rhone und die Ardennen gleichzeitig erinnert. Und man schmeckt es auch. Im Luxemburger Crémant zum Beispiel, der meist aus der urdeutschen Rebsorte Riesling gekeltert und nach französischer Champagnerart zum Crémant veredelt wird. Oder in den Wainzossis, Bratwürsten, die mit Wein verfeinert sind und deren Name zur Hälfte aus dem Deutschen und zur anderen Hälfte aus dem Französischen kommt und letzeburgisch ausgesprochen wird. In Luxemburg hat man irgendwann aufgehört, sich zwischen dem Germanischen und dem Romanischen zu entscheiden, Luxemburg ist beides, und da sind die Letzeburger auch stolz darauf.
Die Dörfer an der Mosel sind eng, Haus an Haus, Winzer an Winzer. In einem dieser Dörfer, in Wormeldingen, haben auch die Schumachers ihr Weingut. Das heißt, Weingut ist ein bisschen hoch gegriffen, denn das Haus der Schuhmachers an der kleinen Marktstraße hat nichts von einem Gutshof. Bis vor kurzem haben Erny und sein Sohn Tom noch in der Garage gekeltert. Jetzt haben sie unten an der Mosel einen neuen, größeren Weinkeller gebaut. Aber dann ist genau das passiert, was die Schumachers unbedingt vermeiden wollten: Der neue Keller ist nicht rechtzeitig fertig geworden. Zwischen den nagelneuen Kelteranlagen laufen noch die Maler und Fliesenleger herum, so dass alle gespannt sind, ob zur Weinernte alles funktioniert.
Aber irgendwie geht´s immer, sagt Tom. Er wollte eigentlich gar nicht Winzer werden, hat erst Mechaniker gelernt. Aber dann wurde Vater Erny krank und Tom kam nach Hause, um im Weinkeller auszuhelfen. Und blieb. “Ich hab gemerkt, das gefällt mir,” erinnert sich Tom. Am meisten hat sich seine Mutter Monika gefreut, dass der Sohn wieder da ist. Und seit Tom stolzer Vater von zwei kleinen Kindern ist, kocht Monika eben für sieben bis zehn Leute. Denn auch an ganz normalen Tagen kommen bei den Schumachers mittags gerne ein paar Freunde mit. Man kennt sich im kleinen Luxemburg, und das Essen nimmt dabei einen wichtigen Platz ein. Kräftiges Essen in der Regel, die bäuerliche Tradition läßt sich da nicht verleugnen. Judd mat Gaardebounen zum Beispiel, Schweinnacken mit Gartenbohnen. Oder Gromperekichelcher mit Bouneschlupp, die Luxemburger Version der Kartoffelpuffer, die mit einer speckhaltigen Bohnensuppe serviert wird.