Die Arte-Dokumentation „Überlebenskünstler“ erzählt von Musikern, die sich in einem Zweitjob verdingen, um über die Runden zu kommen.

Sie leben zwei Leben. Den Job brauchen sie fürs Geld, die Musik für ihr Seelenheil. Abends geben sie Konzerte, tags räumen sie den Dreck anderer Leute weg. Der sehenswerte Dokfilm „Überlebenskünstler“ stellt leidenschaftliche Musiker vor, die in Würde ihrer Zweitarbeit nachgehen.

Roman Krasnovsky spielt auf Orgeln in London, Paris oder New York. In seiner Heimat Israel sind Organisten nicht gefragt. In den Synagogen gibt es keine Orgeln. Roman arbeitet als Müllmann, steht früh um vier auf. „Ich habe dauernd Schmerzen in den Händen“, sagt er. „Während der Arbeit denke ich an Musik, nicht an den Müll.“ Er tritt bei Hauskonzerten und in Kirchen auf und kann sich nichts Schöneres denken.

Melina Paschalidou studierte in Griechenland Gesang, lebt seit zwei Jahren in Berlin, nimmt privaten Unterricht und möchte Opernsängerin werden. Für diesen Traum arbeitet sie vierzig Stunden in der Woche als Hausmädchen, putzt Wohnungen, säubert Toiletten. „Diese Arbeit ist wirklich nicht die beste, aber so ist das Leben.“ Bei einer Agentur bewirbt sie sich mit der Arie der Königin der Nacht aus Mozarts „Zauberflöte“. Die Sopranistin setzt sich eine Frist; wenn sich bis dahin ihr Traum nicht erfüllt, kehrt sie zu Mann und Familie nach Griechenland zurück.

Andrej Kulischko ist Oboist der Staatlichen Philharmonie in Kiew. Von der Gage können er und seine Familie nicht leben. Er betreibt nebenher eine Autowerkstatt, arbeitet täglich bis zu 16 Stunden. „Durch den Krieg in der Ostukraine ist alles teurer geworden“, sagt er. Aber ins Ausland geht er nicht. Die Musik schenkt ihm Zuversicht und Kraft. „Das Leben meiner Kinder will ich in einem wolkenlosen Himmel sehen, ohne Krieg.“

Ein Pendeln zwischen OP und Konzertsaal führt der Bonner Arzt Ulrich Kolk. Regelmäßig tritt er mit dem Kontrabass in Amateur- und Berufsorchestern auf. Der Herzspezialist kann von seinem Gehalt leben, doch ohne das Spiel auf dem Instrument kann er sich das Dasein nicht vorstellen: „Musik räumt die Seele auf.“

szonline.de, 20.02.2016