14.10.2024 - 11:30 Uhr
Ein Film von Wilma Pradetto
Unmittelbar vor den Toren Wiens – im Wienerwald und im angrenzenden Mostviertel – wächst eine seltene Delikatesse: die Elsbeere. Eine Wildfrucht, die pikante und süße Gerichte verfeinert und auch gerne zu Müsli gegessen wird. Seit Jahrhunderten werden die Elsbeerbäume in dieser hügeligen Region kultiviert.
Im Herbst ist Erntezeit. Die kleinen Beeren sind nicht leicht zu gewinnen. Man braucht Geduld und sollte schwindelfrei sein. Elsbeerbäume werden bis zu 30 Meter hoch und sehr alt. Sie gehören zu den seltensten Baumarten in Europa. Im Wienerwald und im angrenzenden Mostviertel stehen noch einige hundert Bäume. Deshalb wird diese Region auch Elsbeerreich genannt.
Die Elsbeere ist verwandt mit der Vogelbeere, der Mehlbeere und dem Speierling. Sie wird sowohl frisch als auch getrocknet verwendet. In Österreich entstehen daraus traditionell teure Edelbrände. Erst seit einigen Jahren wird mit den Früchten auch in der Küche experimentiert.
Die Schwestern Anna Leodolter und Veronika Mayer sind mit der Elsbeere aufgewachsen und kochen ganz unterschiedlich damit. Die eine mit Fleisch, die andere vegetarisch.
Von Veronika Mayer stammt die Rezeptidee zum „Camelsbert“: ein mittelalter Camembert wird mit einer Elsbeercreme gefüllt und verleiht dem Käse dadurch ein feines Marzipanaroma. Aus Walnüssen und Elsbeeren bereitet sie ein Pesto mit selbst gemachten Nudeln zu. Ihre Schwester Anna Leodolter verfeinert ein Wildragout mit Elsbeeren. Beim süßen Wiener Striezel verwendet sie Elsbeeren anstatt Rosinen. Auch einige Restaurants in der Region haben die Elsbeere in ihren Speiseplan aufgenommen und es gibt sogar Elsbeer-Bratwürste.
In den Elsbeer-Hainen der Familien Leodolter und Mayer stehen mehr als 50 Baumriesen. Ihr Holz ist hart und wertvoll. Erst nach 20 Jahren tragen die Bäume Früchte und dann sind sie nur mühsam zu ernten. Allein von den Elsbeerbäumen können die Bauern nicht leben. Neben Tierhaltung betreiben sie Obst- und Gemüseanbau oder führen die Landwirtschaft im Nebenerwerb. Als zweites Standbein neben der Landwirtschaft betreibt Familie Hochecker in Michelbach eine Köhlerei. Sie gehört zu den letzten privaten Köhlereien in Österreich.
Nach der Elsbeer-Ernte beginnt der Teil der Arbeit, der bis tief in den Winter hinein dauern wird und die ganze Familie beschäftigt. Jede einzelne kleine Wildfrucht muss mit den Händen von den Stielen gezupft werden. In Niederösterreich sagt man rebeln oder oröwen dazu. Freunde und Nachbarn sind herzlichen eingeladen dabei zu helfen – es können lange Abende werden.