Sternstunden der Musik | Der 11. September 2001: Hélène Grimaud in London

Sternstunden der Musik | Der 11. September 2001: Hélène Grimaud in London

Sternstunden der Musik | Der 11. September 2001: Hélène Grimaud in London

Ein Film von Holger Preusse & Philipp Quiring, ZDF/arte, 43 min., 2022

Am 11. September 2001 hält die Welt inne als Flugzeuge in das World Trade Center in New York fliegen. Wie aus Trauer und Entsetzen eine musikalische Sternstunde wird, wie Musik in diesen tragischen Momenten ein Mittel des Tröstens sein kann, das zeigt dieser Film über das Konzert von Hélène Grimaud mit dem Orchestre de Paris unter der Leitung von Christoph Eschenbach in der Royal Albert Hall.

Eigentlich sollte der 11. September 2001 für die junge französische Pianistin Hélène Grimaud ein Tag der Freude werden. Aus ihrer Wahlheimat New York reist sie nach London, um ihr mit Spannung erwartetes Debüt bei den BBC Proms zu geben, dem weltweit größten Festival für Klassische Musik. Das 4. Klavierkonzert von Ludwig van Beethoven hat sie für ihren Auftritt mit dem Orchestre de Paris unter Christoph Eschenbach vorbereitet.

Doch nach der Generalprobe in der Royal Albert Hall ist von einem Moment auf den anderen alles ungewiss. In ihrem Hotelzimmer sieht Hélène Grimaud die Schreckensbilder aus New York. Ein Flugzeug war in das World Trade Center geflogen. „Ich dachte, es sei eine der neusten Hollywood-Horror-Produktionen“, erinnert sie sich.

Der Dirigent des Abends Christoph Eschenbach ist gerade beim Mittagessen mit dem französischen Botschafter in London als er von dem Terroranschlag islamischer Attentäter hört. Er und der Veranstalter der Proms, Sir Nicholas Kenyon, müssen eine Entscheidung treffen: Kann man ein Konzert an so einem Tag austragen?

Sir Kenyon sagt darüber: „Es gehört viel dazu, ein Proms-Konzert abzusagen. Selbst als Lady Di gestorben ist, haben wir uns dazu entschlossen, das Konzert stattfinden zu lassen. Und die Leute kamen.“ Auch Christoph Eschenbach und Hélène Grimaud sind bereit zu spielen.

Der Saal füllt sich. Die Stimmung ist bedrückt. Über Hélène Grimauds Auftritt liegt der bleierne Mantel des Anschlags mit zahlreichen Toten. „Ihr Konzert war ein Konzert des Friedens“, kommentiert die Pianistin Sophie Pacini. Und tatsächlich, nachdem der eröffnende G-Dur Akkord mit zittrigen Fingern erklungen ist, spielt sich Hélène Grimaud zunehmend frei. Der Moment der katastrophalen Ereignisse, der Druck, die Fragen beflügeln sie mehr und mehr zu einer „Sternstunde der Musik“.

Gesanglich ist ihr Ton im 2. Satz des Beethoven-Konzertes. Der Saal ist mit Spannung aufgeladen. Das Proms-Publikum hält den Atem an, fühlt mit. Es entsteht ein Gemeinschaftsgefühl, an das sich die Bratschistin des Orchestre de Paris, Estelle Villotte, mehr als zwei Jahrzehnte später erinnert. „Ich habe während des Konzertes auf meine Bratsche geweint. Aber Christoph Eschenbach und Hélène Grimaud haben mich da durchgetragen.“

Zur Befreiung wird dann der tänzerisch verspielte dritte Satz. Die Bilder von New York erscheinen, zumindest für einen Moment, überstrahlt von Hélène Grimauds Spiel. Die Stimmung löst sich. Das Publikum reagiert mit Standing Ovations.

Das vollständige 4. Klavierkonzert von Ludwig van Beethoven und die anschließende „Symphonie fantastique“ von Hector Berlioz ist im Internet unter concert.arte.tv abrufbar.

 

Sisis Erben – Die Kinder der Kaiserin Elisabeth

Sisis Erben – Die Kinder der Kaiserin Elisabeth

Sisis Erben – Die Kinder der Kaiserin Elisabeth

Ein Film von Martin Koddenberg, 52 min., ZDF/ARTE 2022

Von wegen ‘liebevolle Mutter’: Die echte Kaiserin Elisabeth von Österreich ist das genaue Gegenteil von dem, was die legendäre “Sissi”-Trilogie aus den 1950er Jahren zeigt. Die exzentrische Sisi rückt Zeit ihres Lebens ihre eigenen Interessen in den Vordergrund. Wie lebt sie mit ihren Kindern?

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in der ARD-Mediathek

Nach der Hochzeit mit Kaiser Franz Joseph I. im Jahr 1854 bekommt Sisi den Druck der Verwandtschaft zu spüren: Der Fortbestand der Dynastie hängt an der jungen Frau. Ein Jahr später, mit 17 Jahren, bringt sie ihr erstes Kind; Sophie; auf die Welt. Doch auch die Geburt der zweiten Tochter, Gisela, erfüllt nicht die Erwartungen an einen männlichen Nachfolger. Als Sophie 1857 während einer Ungarn-Reise stirbt, zeigen sich tiefe Risse in der Beziehung der Eltern.

Erst die Geburt des Thronfolgers Rudolf 1858 kann die Situation entschärfen. Daraufhin nimmt Sisi für zwei Jahre Reißaus. Ihr Kinder wachsen in dieser Zeit ohne sie auf – als Sisi zurückkehrt, erkennen sie “die fremde Frau” nicht.

1868 bringt Sisi im heutigen Budapest ihr viertes Kind zur Welt, Marie Valerie. Diese “ungarische Tochter” wird von ihrer Mutter mit Liebe und Zuneigung geradezu erdrückt. Als sie sich emanzipiert, heiratet sie in die “Skandal-Linie” der Habsburger ein, äußert sich deutsch-national. Trotzdem sorgt sie mit ihren neun Kindern und zahlreichen Enkeln dafür, dass die Familie bis heute weit verzweigt ist.

Dass Kaiser Franz Joseph den Thronfolger zu einem strammen Soldaten erziehen lässt, kann Sisi gerade noch verhindern. Der Kaiser hält ihn fortan von allen Entscheidungen fern. Rudolf flüchtet sich in eine Welt von Drogen und Alkoholexzessen. Er bringt sich und seine Geliebte um. Sisi erwischt das auf kaltem Fuß: Die Kaiserin hat sich mehr und mehr von ihrer Familie abgewandt. Sie lebt in ihrer eigenen Welt, die in erster Linie aus Reisen, Reiten und Dichten besteht. Kaiser Franz Joseph sorgt sich derweil um die vaterlose Enkelin Elisabeth-Marie, genannt “Erszi”. Sie wird zur Rebellin am Wiener Hof. Nach dem Untergang des Kaiserreichs beginnt sie ein neues Leben in SPÖ-Kreisen und heiratet einen Vertreter der Wiener Arbeiterklasse.

Sternstunden der Musik | Nigel Kennedy & die vier Jahreszeiten

Sternstunden der Musik | Nigel Kennedy & die vier Jahreszeiten

Sternstunden der Musik | Nigel Kennedy & die vier Jahreszeiten

Ein Film von Silvia Palmigiano und Isabel Hahn, ZDF/arte und C Major Entertainment, 43 min., 2022

Als Nigel Kennedy 1989 Vivaldis ‚Vier Jahreszeiten‘ einspielt, mischt er die Klassikwelt auf. „Punk-Geiger“ wird der Musiker von der Presse betitelt und von vielen belächelt. Doch die Platte verkauft sich besser als jedes andere Klassikalbum davor und danach. Kennedy gelingt es, Berührungsängste eines Publikums zu überwinden, dem Klassik bis dahin zu elitär war. Der Film erzählt vom überraschenden Aufstieg eines Außenseiters zum Superstar und einer Vivaldi-Interpretation, die Kultstatus hat.

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Als Nigel Kennedy der Plattenfirma EMI seine Vision eines neuen Klassik-Albums vorstellt, sind zunächst alle skeptisch. Kommt er doch eher leger daher: Seine Haare stehen ab, sein Outfit ist ein wilder Mix aus Punk, Gothic und New Wave. Manager John Stanley wittert eine Chance: „Wenn Kennedy so sein darf wie er ist, könnt ihr Millionen Platten verkaufen.“ Er sollte recht behalten.

Der Film nimmt die Zuschauer mit ins Jahr 1989, als Kennedy und das English Chamber Orchester mit ihrer Einspielung von Vivaldis Vier Jahreszeiten die Musikwelt aufmischen. Die Aufnahme schafft es mit über drei Millionen verkauften Platten ins Guinnessbuch der Rekorde. Kennedy spricht ein Publikum an, das bislang Berührungsängste mit Klassik hatte.

Früh fällt der Schützling von Yehudi Menuhin als „Rebell“ auf: tagsüber studiert er an der renommierten Juilliard School, nachts spielt er in New Yorker Jazz-Clubs und lernt die Kunst der Improvisation – unter anderem von Stéphane Grappelli.

Kennedy erinnert sich: „Die Klassikwelt hat sich wie eine Zwangsjacke angefühlt. Ich musste etwas ändern, sonst wäre ich ausgestiegen. Ich hatte nichts zu verlieren.“ Bei der Aufnahme der ‚Vier Jahreszeiten‘ will er sich weder von der historischen Aufführungspraxis noch von der russischen Schule leiten lassen. Er sucht und findet eine Interpretation, die in die Zeit passt. Mit seiner Spielweise und seinem Look bricht er mit den Konventionen des klassischen Konzertbetriebs. Das sorgt sogar für Streit im Parlament des Vereinigten Königreichs.

In der wie ein Popkonzert gefilmten Konzertaufzeichnung sitzt das Londoner Publikum in Jeans und Pulli dicht am Bühnenrand. Die Outfits der Orchestermusiker und die Bühnenbeleuchtung wechseln je nach Jahreszeit. Stargeiger Maxim Vengerov zeigt, was an Kennedys Spiel revolutionär ist. Die Modedesignerin Esther Perbandt kommentiert: „Er ist Individualist und zieht sich nicht aus Marketing-Gründen so an.“ Nigel Kennedy selber sagt von sich: „Ich kann nur der sein, der ich bin. Und so bin ich halt.“

Mit seiner Aufnahme hilft Kennedy jungen Musikern, die Grenzen und Regeln der Klassikwelt zu hinterfragen. Dabei hat er die Tür ganz weit aufgestoßen – für ein Publikum, das Vivaldis Musik ansonsten ferngeblieben wäre.

Die Stimme der Vögel – Olivier Messiaen, Komponist und Ornithologe

Die Stimme der Vögel – Olivier Messiaen, Komponist und Ornithologe

Die Stimme der Vögel – Olivier Messiaen, Komponist und Ornithologe

Ein Film von Holger Preusse und Philipp Quiring, SWR/ARTE, 52 min, 2022
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Für Olivier Messiaen sind die Vögel „die größten Musiker, die unseren Planeten bewohnen“. Ihre endlosen Melodien mit feinsten Tonabstufungen, ihr variantenreicher Gesang und die unendliche Vielfalt an Rhythmen sind das Lebenselixier des französischen Musikers. Anlässlich seines 30. Todestages am 27. April 2022 erzählen wir Olivier Messiaens Geschichte aus der Perspektive der Vögel.

Messiaen lernt die Vögel schon in jungen Jahren kennen und als er mit Anfang 20 aus der französischen Provinz nach Paris kommt, flattern sie weiter in seinem Kopf. Als Organist der Pfarrkirche La Trinité in Paris sind sie es, die ihm ihre Gesänge anvertrauen, über die er improvisiert. Musikbegeisterte aus ganz Europa pilgern zu ihm. Wie ein Heiliger zieht er die Menschen an. Mit großer Spannung wird 1983 die Uraufführung seiner Oper in Paris erwartet: In „Der Heilige Franz von Assisi“ („Saint François d’Assise“) spielen die Vögel eine zentrale Rolle. Die Vögel sind für ihn etwas Metaphysisches, die direkte Verbindung zu Gott.

Vor dem Hintergrund der „Stimme der Vögel“ schildert der Film das bewegte Leben des Komponisten und Ornithologen Messiaen anhand von musikalischen Beispielen und Erzählungen ausgesuchter Gesprächspartner: Da ist der Dirigent Kent Nagano, die Cellistin Camille Thomas, die Ondes Martenot Interpretin Natalie Forget und der Organist Thomas Lacôte, der Messiaen-Biograf Peter Hill, der DJ und Biologe Dominik Eulberg und nicht zuletzt Pierre-Laurent Aimard, der exemplarisch ausgewählte Passagen aus Messiaens „Catalogue d’oiseaux“ („Vogelkatalog“) anschaulich erläutert.

7 Leben für die Musik – Die Familie Kanneh-Mason

7 Leben für die Musik – Die Familie Kanneh-Mason

7 Leben für die Musik – Die Familie Kanneh-Mason

Ein Film von Catharina Kleber, ZDF/3sat, 60 min, 2022

Eine Familie mit sieben Kindern, jedes einzelne ein musikalisches Ausnahmetalent.
Die Kanneh-Mason Geschwister beweisen mit begeisternder Energie und großem Erfolg, dass klassische Musik nicht nur von Weißen für Weiße ist. Die Dokumentation „7 Leben für die Musik – Die Familie Kanneh-Mason“ von Catharina Kleber, zu sehen in 3sat am Samstag, 5. Februar 2022, 20.15 Uhr, gibt mitreißende, emotionale und überraschende Einblicke in das private und das berufliche Leben der Familie. 

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Mit Sheku fing alles an: Das englische Königshaus lud den Gewinner der „BBC Young Musician Competition 2016“ ein, um die Trauung von Prinz Harry und Meghan Markle auf dem Cello zu begleiten. Über Nacht war er weltberühmt und zog seine Geschwister mit ins Rampenlicht. Isata, die älteste der sieben, spielt beim Schleswig-Holstein Musikfestival, die kleine Schwester Jeneba in der Londoner Wigmore Hall, jede und jeder machen ihren Weg. Sie treffen dabei auf prominente Namen, auf Simon Rattle und Christoph Eschenbach, auf Daniel Hope und Thomas Hampson. Vor allem aber gehen sie gemeinsam durchs Leben und stärken einander im Besteigen der Siegertreppchen der Welt. So tritt die Familie in der Royal Albert Hall bei einem der legendären BBC Proms Konzerte auf und spielt in den sagenumwobenen Abbey Road Studios eine CD ein.

Die Eltern sind oft dabei, aber die Kinder werden von ihnen nicht gedrillt wie Bach, Mozart oder die Jackson Five. Kadie und Stuart, mit ihren Wurzeln in Sierra Leone und der Karibik, sind selbst vom Talent und Willen ihrer sieben Kinder überrascht. Sie schaffen es diese Eigenschaften zu fördern ohne sie zu überfordern.

Die Dokumentation porträtiert alle Mitglieder der Familie, blickt auf ihre Wünsche und Ziele, aber auch auf ihre Hürden und Sorgen. Sie ist bei den Proben im Wohnzimmer, beim Kicken auf dem Fußballplatz und bei vielen Konzerten dabei. Die Familie weiß, dass es auch heute für schwarze Musikerinnen und Musiker schwerer ist, in der Klassikszene erfolgreich zu sein. Aber sie zeigt überzeugend, dass es auf keinen Fall so bleiben darf.