Sternstunden der Musik: Rudolf Nurejews „Schwanensee“

Sternstunden der Musik: Rudolf Nurejews „Schwanensee“

Sternstunden der Musik: Rudolf Nurejews „Schwanensee“

Ein Film von Anne-Kathrin Peitz, ZDF/ARTE, 43min, sounding images 2023

Nach 89 Vorhängen – Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde inklusive – ist klar: am 15. Oktober 1964 wurde an der Wiener Staatsoper Ballettgeschichte geschrieben. Der erst 26-jährige russische Tänzer Rudolf Nurejew choreographiert „Schwanensee“ und übernimmt selbst die männliche Hauptrolle des Prinzen.

Seine Partnerin ist die 45-jährige britische Primaballerina Margot Fonteyn. Nach weniger als zwei Stunden endet die weltberühmte Liebesgeschichte nicht mit dem traditionellen Happy End, sondern mit dem Tod des Prinzen. Mit seiner Version von Tschaikowskis Ballettklassiker wird Rudolf Nurejew zu der Tanzikone des 20. Jahrhunderts.

Seine Choreografie für das Wiener Staatsopernballett und die Wiener Symphoniker unter John Lanchbery ist eine der erfolgreichsten aller Zeiten – und noch immer im Repertoire der Wiener Staatsoper. Bis heute wird die technisch äußerst anspruchsvolle Choreographie von nachfolgenden Generationen ehrfurchtsvoll getanzt – und sie alle müssen sich an dem zur Legende gewordenen Traumpaar des klassischen Spitzentanzes Rudolf Nurejew und Margot Fonteyn messen lassen.

In seiner ungewöhnlichen „Schwanensee“-Deutung revolutioniert Nurejew die Rolle des männlichen Tänzers: Er will nicht länger nur „Hebemaschine“ der Primaballerina sein, sondern ihr ebenbürtiger Gegenpart – und stellt die Männerrolle und damit sich selbst in den Mittelpunkt des Tanzmärchens. Er adaptiert die Originalinszenierung von Marius Petipa und Lew Iwanow nach Gusto und fügt beispielsweise ein sehr melancholisches Solo ein, das heute Standard jeder Produktion ist.

Nurejews Lesart des Balletts zeigt nicht nur ein tiefes Verständnis für Tschaikowsky, der wegen seiner Homosexualität zum Außenseiter wurde, sondern trägt auch autobiographische Züge: Den Schmerz über Entwurzelung, Einsamkeit, den Verlust geliebter Menschen, das Aufbegehren gegen gesellschaftliche Konventionen, den der homosexuelle Tänzer, der als erster Künstler 1961 aus der Sowjet Union in den Westen flüchtet und dadurch über Nacht weltberühmt wird, selbst erlebt hat.

Diese Sternstunde zeigt nicht nur die legendäre Ballettaufzeichnung als aufwändig restaurierte 4k-Fassung. Dokumentarische Passagen mit Nurejew selbst, machen diese Ausnahmepersönlichkeit greifbar. In neu gefilmten Gesprächen erinnern sich ehemalige Tänzer und Wegbegleiter, wie Charles Jude, die französische „Let’s-Dance“-Jurorin Marie-Claude Pietragalla oder die Biographin Julie Kavanagh, sehr persönlich an ihn. Michael Birkmeyer und Gisela Cech, die bei der „Schwanensee-Premiere“ an der Seite von Nurejew tanzten, lassen diesen denkwürdigen Abend Revue passieren, während junge Künstler, wie die Erste Solotänzerin des Staatsballetts Berlin, Polina Semionowa, Choreograph Eric Gauthier oder Regisseur Kirill Serebrennikow, aus heutiger Perspektive auf Nurejew und sein Werk blicken.

Sternstunden der Musik: Franco Zeffirellis La Bohème

Sternstunden der Musik: Franco Zeffirellis La Bohème

Sternstunden der Musik: Franco Zeffirellis La Bohème

Ein Film von Anaïs Spiro, ZDF/ARTE, 43 min., 2023

Die Sternstunde mit der Musik von Giacomo Puccini und den Bildern von Zeffirelli öffnet uns die Türe in die zarte und melancholische Intimität der Geschichte der Mimì im Pariser Künstlerleben. Es ist ein im Studio gedrehter Opernfilm, der erste Musikfilm unter der Leitung von Herbert von Karajan und die erste Opern-Filmproduktion von Franco Zeffirelli. 

Zeffirellis Inszenierung der La Bohème an der Mailänder Scala hatte einen derart überwältigenden Erfolg, dass Herbert von Karajan und Zeffirelli beschlossen, daraus einen Opernfilm zu machen. Die Tonspur mit dem Chor und Orchester der Mailänder Scala und dem Spitzenensemble bestehend aus Mirella Freni, Gianni Raimondi, Rolando Panerai, Ivo Vinco, Gianni Maffeo, Adriana Martino wurde zuerst aufgenommen. Die Bühne wurde dann in einem Filmstudio nachgebaut und in Technicolor, der damals besten Filmtechnik gedreht.  Die junge Mirella Freni, die die Rolle der Mimì über 50 Jahre lang singt, wird nicht zuletzt wegen ihrer natürlichen und reinen Stimme weltberühmt.

Die Verfilmung von Puccinis Meisterwerk „La Bohème“ ist der Versuch, Spielfilm und Opernbühne zu verbinden. Erst Zeffirellis Inszenierung und der internationale Erfolg des Films machten La Bohème zu einer der bis heute meistgespielten Opern. Die ursprüngliche Inszenierung wurde immer wieder aufgegriffen und wird bis heute gespielt.

Die südafrikanische Sopranistin Pretty Yende, die später selbst in der Franco Zeffirelli Inszenierung „La Bohème“ sang und Schülerin von Mirella Freni war, erzählt von ihren Erfahrungen mit ihr. Der franko-italienische Sänger Roberto Alagna sang in der Zeffirelli-Inszenierung als blutjunger Tenor an der Seite von Mirella Freni und ist bis heute dankbar, sich durch diese „La Bohème“ neben Pavarotti und Carreras zu den großen Tenören zählen zu dürfen.

Cristian Macelaru und Brahms in Timisoara

Cristian Macelaru und Brahms in Timisoara

Cristian Măcelaru und Brahms in Timișoara

Ein Film von Claus Wischmann, WDR/ARTE, 43 min., 2023

Für Cristian Măcelaru ist es ein Heimspiel: Der Chefdirigent des WDR Sinfonieorchesters reist mitsamt seinem Orchester in die Europäische Kulturhauptstadt 2023. Als jüngstes von zehn Kindern ist er im rumänischen Timișoara aufgewachsen. Jetzt kommt er als Star zurück, in Begleitung des Pianisten Simon Trpčeski und dem 2. Klavierkonzert von Johannes Brahms.

Mit siebzehn Jahren hat er Rumänien verlassen und sein Glück in den USA und Europa gesucht. Als Violinist und Dirigent machte Cristian Măcelaru schnell Karriere. Seit 2021 ist er Musikdirektor des Orchestre National de France und Chefdirigent des WDR-Symphonieorchesters. Jetzt kehrt er zusammen mit seinem Kölner Orchester zurück in das rumänische Timișoara. Auf dem Programm steht das zweite Klavierkonzert von Johannes Brahms. Mit dem gefeierten Simon Trpčeski hat Măcelaru sich einen Freund und Weggefährten als Pianisten auserkoren.

In unmittelbarer Nähe zu Ungarn liegt Timișoara. Die drittgrößte Stadt Rumäniens ist ein kultureller Schmelztiegel und wird auch aufgrund der eindrucksvollen Architektur Klein-Wien genannt. Hier ist Cristian Măcelaru als jüngstes von zehn Kindern aufgewachsen. Jedes Kind musste ein Instrument erlernen, um das Kirchenorchester des Vaters zu verstärken. „Wir alle spielten ein Instrument, der eine die Geige, der andere das Cello. Meine Mutter spielte die Flöte. Gesungen haben wir alle. Es war eine echte Kakofonie.“

Der Film begleitet Cristian Măcelaru, die Hornistin Melanie Pschorr und den Pianisten Simon Trpčeski bei den Proben und im Konzert. Die Philharmonie von Timișoara ist ein ehemaliges Kino und kaum für ein achtzig Personen Orchester ausgelegt- eine wahre Herausforderung für Orchesterwarte, Musiker und Dirigent.

Bei einem persönlichen Stadtrundgang erzählt uns Cristian Măcelaru die bewegende Geschichte der rumänischen Revolution, die in Timișoara ihren Ursprung hatte und im Kreis seiner Großfamilie erleben wir den internationalen Stardirigenten als Privatperson.

Mit “Moby Dick” durch Amerika

Mit “Moby Dick” durch Amerika

Mit “Moby Dick” durch Amerika

Ein Film von Peta Jenkin und Hai-Hsin Lu, 52min, 2023

Bei vielen löst das Buch Ehrfurcht und Schrecken aus, bei anderen Tränen der literarischen Entzückung. Auf Hunderten von Seiten entfaltet sich der genetische Code der USA: Herman Melvilles Roman „Moby-Dick“ trägt alle Versprechungen, Konflikte und Ideale in sich, die das Land ausmachen. Jede Generation deutet das Buch für sich neu, kramt es in Krisen-situationen hervor, findet in der Erzählung Inspiration.

Wie kein anderer Schriftsteller der Vereinigten Staaten hat Herman Melville vom Traum und Albtraum der amerikanischen Gesellschaft geschrieben. Der Widerspruch zwischen missionarischer Sehnsucht nach Freiheit und der skrupellosen Verwirklichung eines individuellen Glücksstrebens hält die USA bis heute im Würgegriff. Rassismus, Extremkapitalismus, Sicherheitsparanoia, Rechtsradikalismus und religiöse Besessenheit führen den amerikanischen Traum nach fast 250 Jahren – seit der Gründung der Vereinigten Staaten – ad absurdum und spalten das Land tief.

In einem zunehmend polarisierten Land begegnen uns Amerikaner*innen in ihrer Realität. Auf beiden Seiten der politischen Lager zeigen sie uns ihre Kämpfe und ihren Alltag mittels selbstgedrehter Clips und ihrer Postings in den sozialen Medien. Was ist für sie der “American Dream”? Was ist für sie Freiheit? Die Fragen an sie spiegeln die großen, grundsätzlichen Themen, die wir bei „Moby-Dick“ vorfinden.

Wofür steht der weiße Wal? Wohin führt die Jagd? Wonach streben die Menschen in den USA? Mithilfe der Politikwissenschaftlerin Anne Nelson (Columbia University, New York) und dem Melville-Experten Christopher Ohge (University of London) werden verschiedene Les-arten im Hier und Heute angeboten.

Eins wird deutlich: Wer Amerika verstehen will, muss TikTok schauen – und „Moby-Dick“ lesen. Das über 170 Jahre alte Buch und die von Milliarden benutzte App haben eines gemeinsam: Sie geben Einblicke in ein Land, das von Widersprüchen geprägt ist.

Kühlung für die Erde – Wie bekommen wir das Co2 aus der Luft?

Kühlung für die Erde – Wie bekommen wir das Co2 aus der Luft?

Kühlung für die Erde – Wie bekommen wir das Co2 aus der Luft?

Ein Film von Marvin Entholt, 52min, 2023
Unser Planet wird wärmer – das ist klar. Doch wie können wir ihn kühlen? Weltweit wird an unterschiedlichen Wegen geforscht, wie wir dem klimaschädliche Kohlendioxid Herr werden. Der Film zeigt acht dieser Methoden und lässt sie von drei führenden Köpfen der Klimaforschung bewerten. Da ist zum einen das Ausbringen von Gesteinsmehl auf unsere Äcker, das gerade in Bayern getestet wird. Bindet der natürliche Prozess der Verwitterung das Co2 tatsächlich langfristig? Vielversprechend ist das Direct Air Capturing: Können die riesigen Filteranlagen wie sie in Island stehen genügend Gas aus der Luft holen? Oder ist es das Aufforsten der Mangrovenwälder, das in Bangladesch vorangetrieben wird der Schlüssel zur Absenkung der Temperatur? Oder sind es Produkte aus Algen, klimafreundlich hergestellt, die uns den entscheidenden Schritt nach vorne bringen? Wieder andere setzen auf Pyrolyse,  die das Klimagas in Pflanzenkohle bindet, die als Dünger auf unseren Böden landet oder als Zementersatz in Beton gemischt wird. Kann das dem klimaschädlichen Bausektor bei der Co2-Reduktion helfen? Oder ist das Bauen aus Holz der Schlüssel?
Jeder dieser Methoden bietet Vorteile, keine ist ohne Stolperstein. Welche aber sind vielversprechend, welche noch zu wage? Drei Klimaforschende bewerten die Methoden für uns. Das sind: Prof. Jan Minx vom Mercator Research Institut on Global Commons and Climate Change, die US-Amerikanerin, Prof. Jennifer Wilcox, Staatssekretärin für Co2-Management des US-Energieministeriums und Prof. Julia Pongratz Geowissenschaftlerin an der Ludwig-Maximilians-Universität München.
„Kühlung für die Erde“ ist eine Bestandsaufnahme der Möglichkeiten, die die Menschheit gerade zur Verfügung hat, um das Klima zu kühlen. Sie zeigt deutlich auf, wie dringend der Handlungsbedarf ist und – sie macht Hoffnung. Noch können wir es schaffen.