Bettina mag ihr Tenorsaxophon, „weil es nicht so ordentlich ist wie die anderen Instrumente“, und sie liebt ihre Frau Maria mit der Bass- klarinette. Sabine an der Trompete wiederum flirtet gern mit Bianca an der Querflöte, und die Piccoloflöten-Spielerin zieht es zur Frau an den Percussions. Auch Horn und Sopransaxophon harmonieren sehr gut, wird berichtet. Im einzigen Frauenblasorchester der Welt ist es egal, ob Lesbe oder heterosexuelle Frau, Lehrerin oder Polizistin: die Liebe zur Musik eint sie alle. Jede Woche treffen sich die 66 Laien- musikerinnen zwischen 19 und 74 Jahren, um gemeinsam zu musizieren.

Im September 2003 nahm alles seinen Anfang, als eine Schülerin von Astrid Graf die Idee hatte, ein Frauenorchester zu gründen. Also wurden Anzeigen geschaltet, um Musikerinnen zu finden, ein Probe- raum gesucht, und schon bald trafen sich die ersten 40 Frauen und starteten das Projekt. Ein halbes Jahr später wurde der Verein Frauen- blasorchester Berlin e.V. gegründet mit dem Zweck, Blasmusik zu pflegen, und Nachwuchs, das Zusammenspiel von Laienmusikerinnen sowie die Präsenz von Frauen in der Musik zu fördern. Im Verein sind inzwischen gut 100 Musikerinnen organisiert, der Mitgliedsbeitrag staffelt sich einkommensabhängig. Mittlerweile gibt es sogar ein zweites Orchester namens „Holz und Blech“, liebevoll auch als erstes Kammerblasorchester Berlins bezeichnet. Natürlich verändert sich die Besetzung des Orchesters immer mal wieder, neue Frauen werden aufgenommen, andere verabschiedet. „Zurzeit gibt es Vakanzen am Blech, also an Trompete, Posaune und Tuba, aber auch eine fort- geschrittene Frau am E-Bass würden wir gern in unseren Reihen begrüßen“, bemerkt Astrid Graf, Dirigentin und musikalische Leiterin des Frauenblasorchester Berlin (FBOB). Geprobt wird einmal wöchentlich und in zusätzlichen Registerproben für Blech und Flöte, also in separaten Stimmproben ohne die komplette Aufstellung. Das Laienorchester finanziert sich über Mitgliedsbeiträge und Spenden sowie den Einnahmen aus Konzerten und CD-Verkäufen.

Musik für Kopf und Herz

L-MAG war zu Gast bei einer Probe – ob sich wohl ein Frauenblas- orchester musikalisch von anderen Blasorchestern unterscheidet? Astrid beantwortet das so: „Wir spielen Filmmusik, Jazz, Latin, Klassik und sinfonische Blasmusik. Um traditionelle Blasmusik wie Märsche und Polkas, also Humtata, machen wir einen Bogen. Oft werden wir gefragt, ob wir als reines Frauenorchester anders klingen als gemischte Orchester. Ich lasse dann unser Publikum für uns sprechen. Und sie finden, unser Klang sei feiner und nuancierter. Unsere Musik spricht Kopf und Herz an!“ Astrid ist diplomierte Klarinettistin, hat bereits in Köln erste Erfahrungen als Dirigentin gesammelt und treibt ihr Berliner Orchester seit dem ersten Tag zu Höchstleistungen. Sie arrangiert Stücke passend für jede Einzelne und kümmert sich um jedes Detail bei Proben und Auftritten. Sie greift aber auch schon mal hart durch, wenn es bei der Probe mal wieder zu laut wird oder jemand an der Stulle knabbert. Ist der Vor- hang geöffnet, steht Astrid im kurzen Jäckchen oder im langen Frack auf dem Podest und taucht in ihr Orchester ein.

„Um traditionelle Blasmusik wie Märsche und Polkas machen wir einen Bogen“

Sie dirigiert, hüpft die Einsätze. Die Orchesterfrauen, bis in die Haar- spitzen konzentriert, werden zu einem klanggewaltigen Ganzen. Jedes Jahr treten sie ungefähr viermal auf und spielen ein Benefiz- konzert. Bereits zweimal waren sie in der Berliner Philharmonie zu bestaunen, und zum 10-jährigen Jubiläum wurde die erste Auftrags- komposition präsentiert, ermöglicht durch Crowdfunding. Die Berliner Komponistin Susanne Stelzenbach schrieb für das Orchester das Stück „Luftspiel“, das 2015 im Sendesaal des Rundfunks Berlin Branden- burg (RBB) uraufgeführt wurde. Das Orchester und seine Dirigentin haben sich in den Jahren weiterentwickelt: „Ich bin mit dem Orchester gewachsen, menschlich und musikalisch. Ich denke, man muss immer Ideen und Träume haben, wo es hingeht und dann nicht aufhören. Und dieses Orchester ist mein Herzblut.“

Vom Konzertsaal auf die Kinoleinwand

Dem besonderen Sound, den diese Frauen ihren Instrumenten ent- locken, konnte sich auch die Kamerafrau Dagmar Jäger nicht ent- ziehen, als sie zufällig vor einigen Jahren dem FBOB begegnete. Angezogen von stimmungsvollem Jazz und der schwungvollen Energie, begleitete sie mit ihrer Filmpartnerin und Regisseurin Kerstin Polte das Orchester über zwei Jahre. Es entstand ein filmisches Orchesterporträt der besonderen Art. Ab 17. März ist dieser nun in mehreren deutschen Städten auch auf der Kinoleinwand zu sehen. Der Film „Kein Zickenfox“, produziert von Claus Wischmann („Kinshasa Symphonie“), ist bereits auf mehreren Festivals gelaufen und hat einige Auszeichnungen erhalten: bei den „Lesbisch Schwulen Filmtagen“ in Hamburg sowie beim internationalen Filmfestival „Pink Apple“ in Zürich den Publikumspreis für den besten Dokumentarfilm. Und auch in Bremen, Hannover und Freiburg war das Publikum begeistert und belohnte das mit einem Preis.

Treffen sich die Töne von Horn, Trompete, Posaune und Tuba, ist es gewöhnliche Blasmusik. Arrangiert man Saxophone, Flöten, Klarinetten und Schlagzeug dazu und gibt all das 66 Frauen in die Hand, ist das nicht nur das einzige Frauenblasorchester weltweit, sondern ein Klang der ganz besonderen Art.

„Kein Zickenfox“, Dokumentarfilm, Regie: Dagmar Jäger, Kerstin Polte, Kinostart: 17. 3. Previews: 22.2. Cinema Münster, 2.3. Monopol München, 8. 3. Moviemento Berlin, 16. 3. Kinopremiere mit anschließendem Konzert Urania Berlin.