Flaesh – Tattookultur in Deutschland

Süddeutsche Zeitung

Durch die Bilder, das Licht und die Kameraführung mutet die Serie wie eine Netflix-Produktion der hochwertigeren Sorte an und schafft eine Ästhetik, die einen sofort in die Welt der Protagonistinnen und Protagonisten hineinsaugt – und zwar unabhängig davon, ob man sich nun für Tattoos interessiert oder nicht. Denn schon ab der zweiten Folge wird klar: Die behandelten Themen sind auch abseits der Szene relevant. So lernen wir Daniel Bluebird kennen, der sich darauf spezialisiert hat, Narben zu tätowieren und damit Menschen, die sich einst selbst verletzt haben, „eine zweite Haut“ zu schenken. Oder Hanadi aus Hamburg. Wenn sie sich tätowieren lasse, komme sie in die Hölle, hieß es in ihrer syrischen Familie früher. Folgerichtig wurde ihr erstes Tattoo eine Fledermaus auf dem Unterbauch, mit den Insignien straight to hell . „Ich will nicht mit Mullah im Himmel sitzen“, erzählt sie.  „Danke, nein.“

„Flaesh“ ist eine großartige, sensibel erzählte Doku-Reihe im Arthouse-Stil, die nicht nur Freude an Tattoos weckt – sondern auch die Hoffnung, dass sich die Öffentlich-Rechtlichen öfters solche Formate zutrauen.

 

Im  Labyrinth – Der Musiker Jörg Widmann

Ein Film von Holger Preuße, 42 / 52min., BR/ARTE 2022

Süddeutsche Zeitung

Die Dokumentation vermittelt nicht nur eindrucksvoll, wie der Prozess des Komponierens vor sich geht bei Widmann. Wie er „Küsse“ und „Antworten“ und auch mal einfach nur heiße Luft in seinen Partituren platziert. Wie er billigend in Kauf nimmt, dass der Geigerin Anne-Sophie Mutter beim Spielen seiner Noten der kleine Finger in Fetzen hängt – und sie mit seinem jungenhaften Charme trotzdem zu immer neuen gemeinsamen Projekten überzeugt.

Widmann sitzt beim Tonsetzen nicht am Computer wie so viele seiner Zeitgenossen, sondern mit gespitztem Bleistift überm Notenpapier. Wie der Film das festhält mach dessen besondere Qualität aus. Er wurde bereits im Mai mit dem Deutschem Kamerapreis ausgezeichnet.

Zu Tisch: Dresden

Ein Film von Wilma Pradetto, 26 min, ZDF/ARTE

Sächsische Zeitung, 16.12.22

„Zu Tisch“, die halbstündige Dokumentationsreihe über kulinarische Gepflogenheiten weltweit, die das ZDF für arte produziert, führt die Filmemacher geradewegs zum Traditionellsten, das Dresden zu bieten hat: zum Christstollen. Und weil das noch lange nicht alles ist, was die regionale Rezeptsammlung zu bieten hat, lernen die Zuschauer auch noch den sächsischen Kartoffelsalat, die Kartoffelsuppe, Quarkkäulchen und Buletten kennen. (…) Es bleibt ein wohliges Gefühl der Liebe. Das ist Weihnachten.

Beziehungskrisen – Wie Corona spaltet

Ein Film von Peter Podjavorsek und Adama Ulrich

epd medien, 06.08.21, Ulrike Steglich
„Gibt es eine Art soziales Long-Covid-Syndrom? Wie geht es weiter mit all den Freundschaften, Beziehungen, die durch Corona in die Brüche gegangen sind oder zumindest auf eine harte Probe gestellt wurden? (…) Es ist nicht das Schlechteste, was man über eine Reportage sagen kann, wenn Fragen im Raum bleiben. (…) Letztlich, das zeigt die Dokumentation mit ihren realen Beispielen, muss jeder seinen eigenen Weg finden, damit umzugehen.“

Sächsische Zeitung, 12.07.21, Andy Dallmann
„Nicht die übliche Empörung durchzieht diese TV-Doku, sondern eher eine Mischung aus Ratlosigkeit, Melancholie und eine Spur Hoffnung. Exakt mit diesem Erzählton lässt sich möglicherweise dem Problem beikommen, das dieser MDR-Beitrag behandelt. Peter Podjavorsek und Adama Ulrich haben für ihren Dreiviertelstünder, der völlig zu Unrecht ins Spätabendprogramm der ARD geschoben wurde, Menschen getroffen, die durch die Pandemie in gegensätzliche Überzeugungskreise und damit in tiefe Beziehungskrisen getrieben wurden. (…) In Berlin eröffnete kürzlich „veritas“, die erste Beratungsstelle für Opfer von Verschwörungserzählungen. Chef Tobias Meilicke sagt: „Für viele sind wir die letzte Hoffnung vorm Kontaktabbruch.“ Den sollte man unbedingt vermeiden und, selbst, wenn es schwierig ist: sich eine Brücke ins Leben erhalten. Diese Botschaft bringt die Doku insgesamt überzeugend auf den Punkt.“

Das Humboldt Forum

Ein Film von Dag Freyer und Friederike Schlumbom

Berliner Morgenpost, 23.05.2021, Felix Müller
„Die Dokumentation ‚Das Humboldtforum – Ein Schloss für Berlin und die Welt?‘ […] setzt ihr Fragezeichen bewusst und unterfüttert es vor allem mit der symbolischen Reibung zwischen einer hochherrschaftlichen Fassade des rekonstruierten Schlosses und Exponaten problematischer Provenienz im Inneren. Die Komplexität der Redtitutionsdebatte einschließlich der laufenden Verhandlungen kann sie nur streifen, weil ihr Fokus viel breiter gesetzt ist: Es geht ihr um eine Langzeitbeobachtung, die, mit Ausflügen in die Historie des neobarocken Vorbilds, von Wilhelm von Boddiens Schloss-Simulation 1993/94 über den Bundestagsbeschluss 2002 bis zu den aktuell eingerichteten Ausstellungen im Humboldt Forum reicht.“
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Zu Tisch

Diverse Autoren, 26 min, ZDF/ARTE seit 2001

Süddeutsche Zeitung, 06.04.2021, Kathleen Hildebrand
„Wenn nichts mehr geht, dann ist es Zeit für eine Folge Zu Tisch. Wenn am Abend jeder Film zu laut und zu lang erscheint, sind die halbstündigen Dokus auf Arte über kulinarische Traditionen eines europäischen Landstrichs genau das Richtige. Das liegt vor allem daran, dass das Konzept der Reihe so schlicht ist. Man besucht eine normale Familie in pittoresker Landschaft, oft arbeiten die Leute in der Landwirtschaft. Dann lässt man sich von ihnen zeigen, was man bei ihnen eben so kocht. Nichts ist hier überinszeniert, die Kommentare sind sachlich, die Musik zurückhaltend und immer: heiter.“
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