PSYCHO | Ich, (un)aufmerksam

05.12.2020 - 23:15 Uhr

Ein Film von Antje Behr

Kaum eine psychische Spielart wird so unterschätzt wie das ADHS. Die Vorurteile sind so vielfältig wie falsch: So seien Menschen, die an ADHS leiden, einfach schlecht erzogen, mit ein bisschen Sport sei das leicht in den Griff zu bekommen und außerdem sei es nur eine Ausrede für die Ritalin-Sucht.

Nichts davon ist wahr: ADHS ist eine Störung im Gehirnstoffwechsel. Vereinfacht gesagt, kann das Gehirn von Betroffenen Dopamin nicht in ausreichender Menge aufnehmen. Reize werden daher anders wahrgenommen und verarbeitet als bei einem funktionierenden Stoffwechsel. Die Folge sind eine starke innere Unruhe, impulsives Handeln und eine verminderte Konzentrationsfähigkeit. Die Ursache ist noch nicht genau geklärt. Sicher ist bisher, dass die Störung genetisch bedingt ist. Viele verbinden ADHS mit Kindern. Das Bild des unruhigen Zappelphilipps prägt die Wahrnehmung dieser psychischen Besonderheit. Dass auch Erwachsenen an ADHS leiden, ist vielen gar nicht bewusst.

Frithjof Esch sollte auf die Sonderschule gehen. Heute schreibt der 34-jährige seine Doktorarbeit. Der Weg dahin war holprig und vor allen Dingen anstrengend. Frithjof lernt anders als andere, nimmt seine Umgebung nicht so wahr wie die meisten von uns. Der Hamburger leidet an dem Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom (ADHS). Menschen mit dieser Diagnose können Sinneseindrücke und Emotionen weniger gut filtern. Deswegen fällt es ihnen oft schwer, sich zu sortieren und zu kontrollieren. Machen sie aber etwas, das ihnen Freude bereitet, können sie sich außergewöhnlich gut darauf konzentrieren.

Gäbe es eine Pille, die seine Andersartigkeit aufheben würde, würde Frithjof sie heute nicht mehr nehmen. Nach vielen Jahren des sich Kennenlernens, sieht er sich nicht mehr als Kranker, sondern einfach in Teilen als anders.

Das predigt auch Jean-Baptiste Alexanian. Der Psychiater aus der Normandie liebt es, mit ADHS-Patienten zu arbeiten. Sie können sich Normen widersetzen und Grenzen überschreiten. Er glaubt, Menschen mit ADHS sind moderne Jäger, die uns neue Wege zeigen, die wir ohne sie gar nicht wahrnehmen könnten. Solange man nicht unter den Symptomen leidet, so seine Idee, hat man kein ADHS.

Albane ist froh, dass sie Jean-Baptiste gefunden hat. Sie hat lange gelitten, ohne zu wissen, was mit ihr los ist. Mit Hilfe des Psychiaters hat ihr Leben deutlich an Qualität gewonnen. Besonders stolz ist sie darauf, dass sie jetzt Auto fahren kann: Im Verkehr muss man kontrolliert und wachsam sein. Das konnte sie lange nicht, doch jetzt klappt es.

Bis 04.12.2021 in der ARTE-Mediathek